Der Gauverband Oberpfalz -
Ein Trachtengau voll Leben




Peter Fink, Gauvorsitzender



Wir leben aus unseren Wurzeln

Der älteste bestehende Trachtenverein in Ostbayern wurden 1898 von "bergbegeisterten" Menschen gegründet. Bei ihren Fahrten in die "Sommerfrische" knüpften sie Kontakte zu Trachtenvereinen im Oberland. Begeisterung für die Natur, für die Tracht und das gebirglerische Brauchtum waren Beweggründe für die Vereinsgründung.

In den folgenden Jahren wurden in der Oberpfalz mehrere Trachtenvereine als "Trachten-Erhaltungsvereine" gegründet. Gründungsmitglieder waren oft Männer, die mit ihren Familien wegen fehlender Arbeitsplätze das bayerische Oberland verließen. Für sie war das Tragen ihrer eigenen "Gebirgstracht" ein Ausdruck ihrer Verbundenheit mit der angestammten Heimat. Burschen und Männer aus der Region schlossen sich an und fanden Spaß am "gebirglerischen Brauchtum", besonders am Platteln. Sie fanden es für wichtig und richtig, Althergebrachtes und Altbewährtes nicht in Vergessenheit geraten zu lassen.

Durch zunehmende Industriealisierung und Mobilität ging immer mehr des eigenen Erbes verloren. Folglich machte man sich auch Gedanken und Sorgen um das angestammte örtliche Brauchtum, um die Tracht der eigenen Vorfahren. Bald reifte die Einsicht, dass die bodenständig Tracht lebendig bleiben muss. In vielen "Trachten-Erhaltungsvereinen" besannen sich die Mitglieder auf die "Volkstracht", eine Bezeichnung für bodenständige Trachten im Unterschied zur "Gebirgstracht". Andere Vereine wurden mit dem Ziel "Erhaltung des Oberpfälzer Brauchtums und der bodenständigen Tracht" gegründet.

Viele unserer Vereine wählten die Betitelung "Heimat- und Volkstrachtenverein" und legten den Beinahmen von Gebirgsblumen ab. Oft wurde dafür ein Name mit heimatlichen Bezug dem Ortsnamen vorangesetzt. Damit drücken sie nicht nur ihre heimatliche Verbundenheit aus. Die Sorge und Verpflichtung zur Erhaltung der Natur, der Heimat, der Traditionen und des bodenständigen Brauchtums ist darin ebenso enthalten wie die Tracht als Zeichen der Gemeinschaft.



Die Tracht - lebendiger Ausdruck der Zugehörigkeit

Bereits Ende der 50er Jahre wurde in unserem Gauverband die Trachtenerneuerung ernsthaft diskutiert. Gauvorstand Albert Leykauf knüpfte Kontakte zu Frau Dr. Brückner, die Mustertrachten vorstellte, von denen Schnitte und Zeichnungen noch vorliegen. Eine Differenzierung, die Herausarbeitung regionaler und örtlicher Besonderheiten, sind das Verdienst des ersten hauptberuflichen Heimatpflegers der Oberpfalz, von Dr. Adolf Eichenseer. Die Beschäftigung mit der eigenen Tracht, die Quellenforschung und Suche nach Vorlagen und Beschreibungen sind heute eine selbstverständliche Vorarbeit für jede Trachtenerneuerung.

Wer von Trachten und Trachtenerneuerung spricht, muss auch die Probleme der Kosten und der Herstellung mit einbeziehen. Trachten sind keine Konfektionskleidung und keine fabrikgefertigten Serienartikel. Viele Trachten, und auch das nötige Zubehör, werden in Handarbeit hergestellt. Handarbeit kostet Geld, und die Zahl der Handwerker in diesem Gewerbe wird immer geringer. Häufig behelfen sich die Vereinsmitglieder durch Eigeninitiative, erlernen handwerkliche Fähigkeiten und nützen Kontakte weit über die bayerischen Grenzen hinaus. Dankenswerter Weise wird die Trachtenbeschaffung von staatlicher Seite gefördert

Nichts gegen den "Trachten-Look" oder die "Landhausmode"; wir können froh sein, dass von unserer Tracht her auch die modische Alltagskleidung beeinflusst wird. Aber gerade deswegen ist es besonders wichtig, dass die angestammte Tracht selbst in ihrer Vielfalt und Schönheit erhalten bleibt, dass sie nicht zu einem Modeartikel wird - und dass sie das Festgewand bleibt.



Tradition und Tracht - im Verein lebendig gemacht

Wir wissen natürlich schon, dass das wirkliche Leben nicht allein bei Trachtenfesten stattfindet, sondern davor und danach. Wir sind uns auch dessen bewusst, dass nicht alles seine heile Ordnung haben kann und auch künftig nicht haben wird. Es braucht uns auch niemand belehren, dass junge Trachtlerinnen und Trachtler "Jeans" tragen, nicht im Ochsenkarren zur Gauversammlung fahren, sondern die Mehrheit von Ihnen an Maschinen und Computern arbeitet und davon lebt.

Auch wenn sich die Trachtler und ihre Vereine zum überlieferten Kulturgut bekennen, so bedeutet das nicht eine absolute Hinwendung zur Vergangenheit oder das Einigeln in selbstgegebene Regeln und Vorgaben. Wer sich heute in einem Trachtenverein engagiert, ist keineswegs von gestern. Wir nutzen modernste Technik: Moderne Transportmittel, Handy, Computer und Internet sind Hilfsmittel für die Vereinsarbeit, ersetzen aber niemals die Gemeinschaft, das menschliche Mitgefühl, das, zugegeben oftmals auch schwierige, Miteinander.



Der Gauverband - Förderer und Forderer der Vereine

Einen deutlichen Aufschwung in unserer Arbeit brachten verstärkte Aktivitäten des Gauverbandes. Hier sind als erstes Klausurtagungen Tagungen der Gauverwaltung zu nennen. Neben den Vorgaben für alle Bereiche der Verbandsarbeit wurden namentlich die Gausatzung, die Geschäftsordnung und die Anerkennung der Gemeinnützigkeit hier vorbereitet.

Bei Vorständetreffen werden gezielt Themen behandelt, die den Verantwortungsträgern in den Vereinen das nötige Wissen vermitteln. Für eine Seminarreihe unter dem Motte "Trachtenverein 2000" laden wir gezielt Referenten ein und suchen das Gespräch mit den Verantwortlichen in Staat, Kirche und Gesellschaft.

Die Ausbildung der Jugendleiter ist eine der Säulen unserer Schulungsarbeit. Häufig zusammen mit dem Oberpfälzer Gauverband schulen wir Jugendleiter und interessierte Jugendliche. Sie erhalten so das Rüstzeug für eine Tätigkeit in der Jugendarbeit aber auch für Führungsaufgaben im Verein und Verband.

Seit 1971 treffen sich unsere Jugendliche zum Gaujugendzeltlager. Die Teilnehmerzahlen beweisen, das Organisation und Programm unsere Kinder und Jugendlichen ansprechen.

Durch die Einsetzung von fünf Sachausschüssen wurde die Arbeit im Verband aber auch in den Vereinen auf viele Schultern verteilt. Derzeit bestehen Sachausschüsse für:

  • Volkstanz
  • Volkslied und Volksmusik
  • Trachtenforschung und Trachtenschneidern
  • Laienspiel und Mundart
  • Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

Diese Ausschüsse veranstalten regelmäßig Treffen, Tagungen, Kurse und Lehrgänge. Neben mehreren Trachtenschneiderkursen sollen hier besonders die Musikseminare genannt werden. Seit 1989 wurden bereits 14 Musikseminare, die letzten fünf über eine ganze Woche, abgehalten. Die Teilnehmerzahl ist mit ca. 90 Musikanten äußerst erfreulich.

Regelmäßig, mindestens zwei Mal im Jahr, finden Vortänzerproben statt. Mehrfach als Wochenendseminare und in Zusammenarbeit mit verschiedenen Musikgruppen, werden hier die Interessen von Tänzern und Musikanten verbunden.

Bei Laienspielseminaren werden diverse Themen behandelt. Ein Stückearchiv wurde angelegt. Die Stückeauswahl war ebenso Thema wie Schminken und die Schulung von Schauspielern in Gestik und Mimik.

Der Sachausschuss Presse und Öffentlichkeitsarbeit erstellte eine Broschüre zur Brasilienreise, richtete die Internetseite des Gauverbandes ein und schult Schriftführer und Presseverantwortliche der Vereine.

Besondere Lebendigkeit zeigt der Verband wenn es darum geht, die Oberpfalz nach außen zu vertreten. Mehrere Mitgliedsvereine reisten im Auftrag der Heimatorte zu Patenstädten ins Ausland. Der Gauverband organisierte mehrtägige Fahrten u. a. zum Trachtenfesten in Innsbruck (1988), zum 1. Gesamtdeutschen Trachtentreffen in Wechmar/Thüringen (1994), sowie zu den Bundestrachtentreffen in Deggendorf (1989), Marburg (1996) und St. Wendel im Saarland (1998). Maßgeblich auch unsere Beteiligung an den Bayerischen Nordgautagen.

Bei mehreren Anlässen repräsentierten unsere Trachtler die Oberpfalz. Genannt seien nur die Olympischen Spiele 1972 in München, der Weltwirtschaftsgipfel in München, Bayerische Kulturtage in Krakau 1997 und die Eröffnung des neuen Münchner Messegeländes 1997.

Herausragen war die Brasilienreise im Herbst 1999. 40 Teilnehmer reisten 14 Tage durch das Land und konnten bei fünf großen Veranstaltungen die Oberpfalz darstellen. Einen Ausführlichen Bericht finden sie in diesem Heft.



Mit dem Reden kommen die Leut´ zusammen

Wir Trachtler, besonders die Verantwortlichen in unseren Vereinen und Verbänden, sind dankbar für Denkanstöße und neue Erkenntnisse, z. B. der Volkskunde. Politiker bei ihren Ansprachen ebenso wie Geistliche in ihren Predigten haben uns oft der Wichtigkeit unserer Arbeit versichert, aber wann hat jemand mit uns über unserer Arbeit gesprochen? Wir sind jederzeit offen für Gespräche und eine gute Zusammenarbeit mit den Kirchen, mit allen "hauptamtlichen Kräfte in der Heimatpfleger", sei es mit Universitäten und Hochschulen, örtlich oder regional zuständigen Heimatpflegern und Museumsleitern, aber auch mit politisch verantwortlichen und in der Verwaltung tätigen Kultur- und Fremdenverkehrskräften.

Zusammenarbeit und Pflege guter Kontakte auch mit anderen in der Kultur tätigen Organisationen sind für den Gauverband Oberpfalz nicht nur satzungsgemäße Aufgaben. Im Landesverband Bayerischer Heimat- und Volkstrachtenvereine und im Deutschen Trachtenverband arbeiten unsere Mitglieder an verantwortlicher Stelle mit. Nicht von ungefähr kam aus unserem Gauverband die Initiative zum Zusammenschluss der beiden bayerischen Trachtenverbände. Dankbar sind wir für die freundschaftliche Zusammenarbeit mit dem Oberpfälzer Gauverband.

Selbstverständlich ist die aktive Mitarbeit im Oberpfälzer Kulturbund, im Bezirksjugendring Oberpfalz und in den Arbeitsgemeinschaften der Trachtenjugend auf allen Ebenen. Erfreulich die Zusammenarbeit mit den Oberpfälzer Volksmusikfreunden und dem Oberpfälzer Volksmusikkreis. Neue Wege beschreiten wir durch die Zusammenarbeit mit dem Tourismusverband Ostbayern. Gut nachbarschaftliche Beziehungen unterhalten wir zu Tschechien. Bereits seit 1991 nehmen Kinder aus Postrekov an unserem jährlichen Jugendzeltlager teil. Mehrere Besuche und Gegenbesuche verstärkten die Freundschaft.

Die Aufgaben und Ideale in der Trachtensache können nur dann bewältigt werden, wenn wir weiter auch das Verständnis der Bevölkerung haben und die Politiker in unserem Lande, Staat und Kommunen, Presse, Rundfunk und Fernsehen hierzu ihren Beitrag leisten.

Dieser Erkenntnis tragen die Bemühungen um eine zeitgemäße Heimatpflege Rechnung. Sie gewährleisten, dass uns bei allem technischen und wissenschaftlichen Fortschritt die "Bodenhaftung" nicht verloren geht, dass wir die notwendige Verankerung im praktischen Leben, also in Staat und Gesellschaft, im örtlichen und kirchlichen Bereich, in Vereinen und Verbänden, in Nachbarschaft und Familie nicht verlieren.



Bekenn di zur Hoamat - werd a Du a Trachtler!

Die Familie ist sicher eine Kernzelle für die Volkskultur, sie ist ein Grundbaustein der gesamten Gesellschaft. In der Familie finden Kinder Geborgenheit, Fürsorge, Verlässlichkeit und Liebe. Hier werden den Kindern durch die Erziehung wichtige soziale und gesellschaftliche Werte vermittelt, die für ein Zusammenleben unerlässlich sind. In den Familien werden die Sprache - natürlich auch die Dialekte-, die Sitten und Gebräuche weitergegeben. Es ist deshalb auch kein Zufall, dass in Vereinen der Volkskultur Familien besonders häufig anzutreffen sind. Sicher kennen Sie alle Familien, in denen die Eltern und Großeltern Mitglieder des Trachtenvereins sind und die Kinder in der Trachtenjugend und in der Volkstanzgruppe desselben Vereins dabei sind.

Die vielen Trachtler, jung und alt, die in den Vereinen tanzen, musizieren, singen, die sich um das örtliche Brauchtum und die "kleine Kultur mit menschlichen Maßstäben" kümmern, sind ein wichtiger und notwendiger Faktor unserer Heimat.

Wir wünschen uns, dass die Trachtensache ein gesunder Wurzelstock bleibt, ein Wurzelstock für eine starke "Heimat Bayern", ein Wurzelstock, der sich auch in unserem neuen Europa, diesem doch so großen Kulturkreis, entwickeln und behaupten kann.